Fundstück 8:

Kaiserliches Feldlager bei Goito, 1368 Juli 8: Ein Feldzug fällt ins Wasser. Kaiser Karl IV. sucht einen trocknen Lagerplatz für sein Heer und mehr zu essen.

Überlieferung: Archivio di Stato in Mantua, „Archivio Gonzaga (E II 2) busta 428 c. 78“ (Ausschnitt). Druck der Urkunde: MGH Constitutiones XV,2 (in Vorbereitung). (OBR)

Nicht nur die großen Gesetzeskorpora, wie etwa die Goldene Bulle, Kirchenfreiheitsprivilegien oder Urkunden über alltägliche Rechtsakte geben über Struktur und Verfasstheit des spätmittelalterlichen Reiches Auskunft, sondern auch Briefe. Solche Briefe waren nicht wie die Urkunden auf Pergament geschrieben, sondern auf dem nun immer öfter verwendeten Papier. Die kurzen Schriftstücke erhielten nach der Einfaltung ein rückseitig zum Verschluss aufgedrücktes kaiserliches Siegel, das beim Aufbrechen größtenteils wegplatzte und oft nur noch in Resten erhalten blieb. Zur Sicherheit für den Boten wurde auf der Rückseite zudem der Adressat mit seinen Titeln notiert. Mit Hilfe solcher Briefe wurden tagesaktuelle Informationen ausgetauscht, Befehle verkündet oder Geleitzusicherungen gegeben. Da die Schriftstücke nach Erledigung des darin enthaltenen Auftrags eigentlich nutzlos geworden waren, haben sie sich viel seltener als Urkunden erhalten, so dass über deren einstige Anzahl nur vage spekuliert werden kann.

Der vorliegende Brief hat ein für die Verfassungsgeschichte nur scheinbar nebensächliches, für die Kulturgeschichte überaus interessantes Thema zum Inhalt, nämlich Probleme militärischer Logistik mittelalterlicher Heere. Der Kaiser, der im Frühjahr 1368 zu einem Feldzug nach Italien gegen Bernabò Visconti und Cansignore della Scala aufgebrochen war und der ihn noch im selben Jahr nach Rom führen sollte, musste auf seinem Weg die stark befestigte Stellung von Borgoforte, einem Ort südlich von Mantua, belagern. Die feindlichen Truppen der Visconti, darunter auch Kriegsknechte unter der Führung des berühmten Söldnerführers John Hawkwood, hatten hier eine bastita, eine Bastei aus Pfählen und Erde, errichtet, die einen Flussübergang über den Po sperrte. Daran vorbeizukommen war wegen des überfluteten Geländes unmöglich. Das große kaiserliche Heer aber brauchte enorme Mengen an Lebensmitteln, die zusehends knapper wurden, wie die zahlreiche Korrespondenz mit den Verbündeten Karls zeigt. Einen der Briefe schrieb der Kaiser am 8. Juli 1368 kurz vor Mitternacht aus seinem Feldlager Goito am Mincio an die Edlen Ludovico [II.] und Francesco Gonzaga, die in der zwanzig Kilometer entfernten Stadt Mantua als Reichsvikare Herrschaft ausübten. Als Francesco ihn heute verließ, so der Kaiser, sei dieser darüber unterrichtet worden, dass er morgen früh das Lager aufheben und Richtung Mantua zwischen die Porta di Porto und die Porta San Giorgio verlegen wolle. Die Gonzaga sollten sich vor Tagesanbruch aufmachen und einen festen Platz zum Lagern suchen. Dieser solle nicht so nass und mit mehr Bäumen bestanden sein, sodass man bei Regen nicht ausweichen müsse. Ebenfalls am frühen Morgen sollen sie dem Grafen von Schwarzburg, der dem Heer vorausziehen und sie bei der Lagerwahl anleiten werde, einige Reiter schicken. Falls die Gonzaga keinen geeigneten Platz bestimmten, werde sich das Heer direkt am Stadttor lagern, um leichter an Lebensmittel zu kommen, setzte Karl noch hinzu. Doch der Lagerwechsel nutzte nichts. Hochwasser, Hitze, Hunger und vermutlich auch Malariamücken vermehrten die Plagen derart, so dass der Kaiser schließlich zum Rückzug gezwungen war und der Feldzug buchstäblich ins Wasser fiel. Letztendlich scheiterte damit auch der Plan der Zurückdrängung der Macht der Visconti in Mailand.

Text

Karolus quartus divina favente clemencia Romanorum imperator et c(etera). Fideles dilecti: Sicut tu Francisce recessisti a nobis hodie informatus nos disponimus campum nostrum omnio cras hinc levare et versus Mantuam ab ista parte versus portam portus vel portam sancti Georgii campum ponere et firmare. Et ideo volumus, quod cras ante diem surgatis et campum in uno ex supradictas locis magis solidum et minus aquosum et melius arboratum eligatis et talem, quod sequentibus istis pluviis non habeat campus ipse removeri et mutari. Et premittatis cras etiam bona hora silicet ante diem aliquos ex caballeriis vestris versus comitem Svarseburgen(sem) , qui debet precedere gentes nostras, ut cum versus campum per vos eligendum dirigat et conducat et vos etiam vel unus vestrum stet ibi in via ad dirigendum versus dictum campum alias gentes nostras vel, si ordo iste non servaretur, gentes ponerent campum iuxta portam civitatis, ut victualia comodius habere valerent.

Datum in campo nostro Godii VIII iulii hora XXIII.

Adresse auf der Rückseite: Nobilibus Lodovico et Francisco de / Gonzaga militibus civitatis Mantue, / nostris et imperii sacri vicariis.