Fundstück 7:

Nürnberg, 1366 Oktober 27: Der Halbbruder soll den Herrscher vertreten. Kaiser Karl IV. ernennt Wenzel von Luxemburg zum Reichsvikar

Überlieferung: Archives municipales Colmar “AA 17 Nr. 6” (Ausschnitt, Foto: Ulrike Hohensee). Druck: MGH Constitutiones XV,1 (in Vorbereitung). (OBR)

Kaiser Karl IV. trug sich seit Mitte der 1360er Jahre mit dem Plan, in Nachahmung des spätrömischen Kaisers Konstantins, das seit einer Generation in Avignon in Südfrankreich residierenden Papsttum in Gestalt des amtierenden Pontifex Urban V. wieder nach Rom zurückzuführen. Das wollte sorgfältig verabredet und geplant sein, bedurfte hoher Geldsummen und vorausschauender Entscheidungen. Einen wichtigen Schritt dahin bildete die Ernennung seines Halbbruders Wenzel, Herzog von Luxemburg, Limburg und Brabant, zu einem Vikar des Kaisers für die Zeit der Abwesenheit des Herrschers nördlich der Alpen. Vikare übten Herrschaft in Vertretung aus, besaßen also vom Kaiser delegierte Macht in genau festgelegten Gebieten. Während seiner Regierungszeit von 1346 bis 1378 hat Karl mehr als 50 solcher Vikarserhebungen vorgenommen. Im Falle Wenzels gab der Kaiser am 27. Oktober 1366 auf einem Hoftag zu Nürnberg Reichsstädten und Amtsträgern durch 24 bislang ermittelte, zu großen Teilen gleichlautende Urkundenexemplare bekannt, dass er seinen Halbbruder zu: „unsern und des heiligen richs ze gemeinen vicarien gemacht haben in Deutschen landen und in allen andern landen und creizzen, die disseit des Lampartischen gebirges gelegen sind“. Die Alpen bildeten also die südliche Grenze des Vertretungsbereichs des nun ernannten Vikars, worin dieser, wie es weiter in den Urkunden heißt, „gancze maht gegeben ze tun und ze schikken, alles daz wir selber getun mohten,,, also herrschergleich agieren durfte. Damit Wenzel an des Kaisers statt agieren konnte, forderte Karl die Angeschriebenen zum Gehorsam Wenzels und dessen Beauftragten gegenüber auf. Einige elsässische Städte wie Colmar oder Straßburg wird zusätzlich befohlen, auch im Kriegsfall an der Seite Wenzels zu stehen. Die in diesem Zusammenhang vom Kaiser ausgegebenen Urkunden stellen überaus wichtige Belege für die Geschichte der Verfassung des mittelalterlichen Reiches dar.

Text (ohne Sonderzeichen):

Wir Karl von gots gnaden Romischer keiser ze allen ziten merer des richs und kunig ze Beheim embiten dem burgermeister, dem rat und der stat gemeynlich ze Colmar, unsern und des heiligen richs lieben getrewen, unser hulde und alles gut. Liben getrewen: Wanne wir mit rate der fursten, grafen und herren des heiligen richs mit wolbedahtem mµt und mit rehter wizzen den hochgeboren Wenczla, herczogen ze Lutzemburg, ze Brabant und ze Limburg, unserm lieben bruder, unsern und des heiligen richs ze gemeinen vicarien gemacht haben in Deutschen landen und in allen andern landen und creizzen, die disseit des Lampartischen gebirges gelegen sind, und haben ime gancze maht gegeben ze tun und ze schikken, alles daz wir selber getun mohten, als in unsern brifen sulch unser meinung vollekumenlicher und genczlicher begriffen ist. Davon gebiten wir ewern trewen ernstlichen und vestiklichen by unsern und des richs hulden und manen euch der eyde und der gesworen trewe, da mit ir uns und dem heiligen riche verbunden seit, daz ir dem egen(anten) unserm liben bruder und vicarien, oder wem er daz mit sinen brifen kuntlichen empfilhet, ze allen sachen, kriegen oder teidingen die er hat oder furbaz gewinnet zu handel oder ze tun von des heiligen richs wegen mit aller ewer maht, beholfen, gehorsam und wartende als oft er des bedarf und ir des von sinen wegen werdet ermant geleicherwise, als uns selber on widerrese und an alles widersprechen.

Geben ze Nuremberg unter unser keyserlichen maiestat insigel an der heiligen czwelfpoten abend Symonis und Jude, unser riche in dem ein und czwinczigstem und des keysertums in dem czwelften jare.