Nachdem am 26. Februar 1361 dem Herrscher von seiner dritten Gemahlin Anna von Schweidnitz auf der alten Kaiserburg zu Nürnberg der schon lang ersehnte Stammhalter und Erbe geboren worden war, schien sich endlich die Hoffnung auf dynastische Herrschaftskontinuität zu erfüllen. Am 11. April 1361 wurde der zukünftige Thronfolger im Rahmen eines feierlichen Hoftages in Nürnberg getauft. Wenzel, der bereits 1363 als Kleinkind zum böhmische König gekrönt wurde, regierte allerdings später mit wenig glücklicher Hand. Sein römisch-deutsches Königtum fand 1400 auf Beschluss der Kurfürsten ein Ende. Als er 1419 starb, hatte sich der Konflikt mit den Hussiten so zugespitzt, dass dieser sich in jahrzehntelangen verbissenen Kämpfen in ganz Mitteleuropa entlud. Kein Wunder, dass bereits Zeitgenossen raunten, schon seit der Taufe voller zeichenhafter Vorbedeutung – der frierende Säugling hatte angeblich sein Taufwasser verunreinigt – habe das spätere Unglück seinen Lauf genommen. Zwei Monate nach der festlichen Taufe jedenfalls, am 25. April 1361, hatte der glückliche Vater in der nahe bei Nürnberg gelegenen Burg Lauf an der Pegnitz für seinen Kammermeister Thimo [VIII.] von Colditz ein Empfehlungsschreiben an den Bürgermeister und die Ratsherren der Stadt Aachen ausstellen lassen. Darin hieß es vage, Thimo „komme zu ihnen aus religiösen Gründen“. Und in dem dazugesetzten Postskript gebot er den Räten, den von Thimo in seinem Namen übermittelten Nachrichten Glauben zu schenken. Was aber hat der Kaiser mitteilen wollen? Die dunkle Formulierung des Schreibens erhellt sich ein wenig, wenn man die Zeitumstände miteinbezieht, die mit einem kaiserlichen Gelöbnis aus Anlaß der Geburt des Thronfolgers Wenzel im Februar 1361 zusammenhängen könnten. Nach Wenzels Taufe soll Karl IV. wegen der Sohnesgeburt eine Wallfahrt zur heiligen Jungfrau nach Aachen geplant, diese dann aber in ein Goldgeschenk umgewandelt haben, wie der Geschichtsschreiber Heinrich Taube von Selbach, der 1361 selbst in Nürnberg anwesend war, in seiner Chronik notierte (ed. H. Bresslau, MGH SS rer.germ. N.S. 1, 1922, S. 117): Post hec imperator disponit visitare limina beate virginis Aquisgrani, set deliberat mittere offertorium illuc pro filio suo nato. Und dann verrät Heinrich Taube auch, um wieviel Gold es sich gehandelt habe, denn der Kaiser habe befohlen, das Gewicht des Sohnes in einer Waage mit Gold aufzuwiegen und dieses dann nach Aachen zu senden: Unde iubet filium ponderare in statera cum auro, qui ponderavit XVI marcas auri, quas mittit Aquisgrani; 16 Mark Gold entsprachen also dem Sohn als Gewichtsäquivalent. Je nach dem regionalspezifischen Gewicht einer Mark hätte Wenzel bei seiner Taufe somit zwischen 3 700 und 4 000 Gramm gewogen, ein strammer Bursche also und ein seltenes Detail für eine Zeit vor der Einführung von Hebammenprotokollen. Und nach heutigem Goldpreis wäre das Freudengeschenk knapp 150.000 Euro wert. Auch wenn sich der Wert des Goldes vom Spätmittelalter zu heute natürlich schwer vergleichen lässt, die Ankunft einer respektablen Zuwendung hatte Thimo in Aachen jedenfalls ankündigen können. Der Originalbrief an die Aachener Ratsherren ist leider nicht mehr erhalten. Sein Inhalt ist aber im 17. Jahrhundert noch für so wichtig gehalten worden, so dass er gemeinsam mit anderen Urkundentexten gleichen Ausgabedatums abgeschrieben wurde, weshalb der Abschreiber das Briefdatum am Schluss nicht mehr angab, sondern abkürzte: „Gegeben wie oben“.
Text:
Karolus quartus divina favente clemencia / Romanorum imperator semper augustus et Boemie rex. / Fideles dilecti: Nobilis Tymo de Koldicz, magister imperialis nostre camere, familiaris et fidelis noster dilectus, transit ad vos causa devocionis; quem vobis attencius comendamus desiderantes et fidelitatem vestram seriosius requirentes, quatenus sibi de securo conductu, si necesse fuerit, velitis intuitu nostre celsitudinis providere nobis in eo plurimum placituri. Datum in Lauffen die XXV mensis aprilis, regnorum nostrorum anno quintodecimo, imperii vero septimo. Eciam prefato Tymoni in dicendis ex parte nostri fidem curetis credulam adhibere. Datum ut supra.
unter dem Text Adresse: Magistro civium et consulibus civitatis / Aquensis, fidelibus nostris dilectis.