In den Urkunden Kaiser Karls IV. heißt es oft, dieser oder jener sei vor der Majestät erschienen, habe einen Sachverhalt geschildert und eine Bitte vorgebracht; deshalb entscheide der Monarch nun soundso und lasse das einer Allgemeinheit in dem Schriftstück bekannt machen. Aber so einfach war das nicht, eine Bitte an den Herrscher heranzutragen und seine Interessen zu erläutern. Um etwa als Stadtbürger oder Ratsmitglied überhaupt dem Kaiser ein Anliegen vorbringen zu können, bedurfte es mehr als eigener politischer Geschmeidigkeit. Da es unmöglich war, ohne gute Kontakte überhaupt vor den Kaiser zu gelangen, musste man sich eines Höflings als Fürsprecher bedienen. Und das kostete Geld, mitunter viel Geld. Was heute nach Schmiergeld oder Korruption aussehen würde und Bestechung hieße, lässt sich für das Mittelalter vielleicht mit dem harmloser klingenden Begriff „Handsalbe“ bezeichnen, also einem Mittel, das die Gönnerschaft von Personen aus der Herrscherumgebung zu befördern oder erst herzustellen vermochte. Gerade Stadtkommunen waren gut beraten, am besten schon im Vorfeld eines Herrscherbesuchs, nach dem Gießkannenprinzip reichlich Gulden auf dessen Umgebung herabregnen zu lassen, wenn abzusehen war, dass die Hilfe eines der Höflinge benötigt würde. Als Kaiser Karl im Oktober 1360 in Frankfurt am Main Hof hielt, sind umfangreiche Geldzahlungen aus dem Stadtsäckel an das kaiserliche Gefolge belegt, die sorgfältig in einem Stadtbuch verzeichnet worden sind. Solcherart Aufzeichnungen sind eher selten, aber nur durch diese wissen wir, wie Herrscherkontakte vorbereitet wurden. Nach den Frankfurter Aufzeichnungen zahlte man an den Hofmeister, also den Chef der gesamten Hofhaltung, Burggraf Burkhard II. von Magdeburg, und den mächtigen Kanzler Johann von Neumarkt jeweils vierzig Gulden. An den höheren Kanzleimitarbeiter Thimo VIII. von Colditz gingen zwanzig Gulden, an den Unterhofmeister sechs Gulden, an den Hofrichter, wahrscheinlich Herzog Přzemysl I. von Teschen oder Herzog Bolko I. von Falkenberg, zehn Gulden sowie an den Marschall Jesko von Welhartitz oder Čeňek von Leipa sechs Gulden. Zwanzig Gulden erhielt noch die Schreibstube allgemein. Dem „Dybisschen“, wahrscheinlich der böhmische Landrichter Andreas von Dubá, ließ man vier Gulden zukommen, dem inneren Knecht zwei und den äußeren Knecht einen Gulden. An den Hofgerichtsschreiber gingen vier Gulden, an den Schenken sechs und den Unterschenken zwei Gulden, an den Speise- und Küchenmeister zehn Gulden sowie an jeden der Spielleute, also jegliche Art von Musikern und Gauklern, je einen Gulden, denn auch die Spaßmacher konnten ja bei der Herstellung von Kontakten von größtem Nutzen sein. Die insgesamt über 180 Gulden – ein Vermögen – zahlten sich offenbar aus, denn Frankfurt bekam einen Tag später vom Kaiser das Privileg zugestanden, dass während der beiden Frankfurter Messen ein Gerichtsfriede herrschen solle. Niemand solle in der Zeit einen Kontrahenten am Hofgericht verklagen dürfen, denn wer will bei guten Geschäften lästige Konflikte verhandeln, deren Zuständigkeiten erst langwierig geprüft werden muss? Zu der aufgewendeten Handsalbe kamen aber noch Kosten für die Urkundenherstellung selbst, deren Höhe in diesem Fall leider nicht überliefert ist, in der Regel aber bei etwa 200 bis 600 Gulden lag. Allerdings gab es das Problem, wenn hochstehende Höflinge in der Herrschergunst plötzlich sanken oder gar ausgewechselt wurden, wie viele Jahre später Kanzler Johann, dann war das schöne Geld umsonst verteilt worden. Denn mit dem Chef wechselten natürlich auch dessen engere Mitarbeiter, so dass neue Handsalbe verteilt werden musste und das Spiel um die Gunst der Höflinge erneut begann.
Text (ohne Sonderzeichen)
Actum anno dom(in)i milles(im)o CCCo sexages(im)o d(omi)nica die an(te) Galli.
It(em) dem hoffemeist(er)e XL guldin.
It(em) dem kanczelere XL guldin.
It(em) dem von Colditz XX guldin.
It(em) dem undirhoffemeist(er)e VI guldi(n).
It(em) dem hofferichtere X guldin.
It(em) dem marschalke VI guldin.
It(em) in die notarie XX guldin.
It(em) dem Dybisschen IIII guldin.
It(em) dem innerschen knechte II guldin.
It(em) dem uzsirssin knechte I guldin.
It(em) des hoffegerichtis schriber IIII guldin.
It(em) dem schenckin VI guldin.
It(em) dem undirsten schencken II guldin.
It(em) dem spiser unde kuchginmeist(er)e X guldi(n).
It(em) den spielludin yglichem I guldin.